Freitag, 18. Dezember 2009

Der Copenhagen Consensus

Das Schlussdokument hat noch keiner wirklich gesehen, und doch sind die Konturen des «Copenhagen Consensus» an die Öffentlichkeit gedrungen. Im Kern geht es darum, die Erwärmung der Erde auf 2 Grad zu begrenzen, die Emissionsziele den Ländern zu überlassen, aber eine gegenseitige Kontrolle und Überwachung zuzulassen, und es sollen die Entwicklungsländer bei ihren Anstrengungen zur Reduktion von CO2 unterstützt werden.

Das ist nicht, was sich viele Umweltorganisationen, viele besorgte Bürgerinnen und Bürger weltweit erhofft hatten, aber es ist mehr als nichts. Es wird daraus, im besten Falle, im Verlauf des nächsten Jahres tatsächlich ein bindendes Abkommen, das 2012 das Kyoto-Protokoll ablösen kann; im schlimmsten Fall bleibt diese Verpflichtung auf die 2 Grad Erwärmung gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter, was nicht weniger bedeutet als eine Verpflichtung auf sofortige, radikale Massnahmen zur Reduktion von CO2.

Weniger als erhofft, und doch nichts - es war vielleicht das, was man erwarten konnte von einer Konferenz, an der sich die Vertreter von 193 Nationen gegenübersassen, mit Dutzenden, ja hunderten von Lobbyisten an ihrer Seite, mit pazifischen Inselstaaten, die ebenso ihre Stimme erhoben wie die grossen Industrienationen; und mit zwei Antagonisten, China und den USA, die sich als echte Rivalen in vielen Politikfeldern beäugen, mit Schwellenländern, die mit gutem Recht auf ihre Entwicklungspotentiale verweisen, mit armen Ländern, die ihre Ansprüche geltend machten, und das nicht immer (und berechtigterweise) aus uneigennützigen, rein klimarelevanten Begründungen heraus.

Der «Copenhagen Consensus» ist kein Knaller, aber der Anfang einer dynamischen Entwicklung und eines globalen Commitments – hoffen wirs.

Das letzte Dokument

So sieht es aus, das letzte Dokument, das heute morgen in Zirkulation kam, und an dem die Delegierten noch immer feilen. Ein «Working-Paper», aus dem noch was werden kann, oder nicht.

Die Hoffnungen sind im Augenblick aber nicht sehr gross - der Nachmittag an dieser Konferenz verging auch mit viel Polemik, mit selbstherrlichen Auftritten etwa eines Hugo Chavez, dem venezolanischen Präsidenten, mit vielfältigen Appellen, etwa von Lula da Silva, dem brasilianischen Präsidenten.

Wir warten.

Der Tag der langen Messer

Heute Freitag und in der langen Nacht, die folgen wird, entscheidet sich das Schicksal dieser Konferenz. Manches deutet darauf hin, dass Kopenhagen nicht, wie von vielen erhofft, mit einem verbindlichen Abkommen zum Schutz des Klimas und zu klaren Reduktionszielen enden wird - und doch werten viele Beobachter das bereits erreichte durchaus als Erfolg.

So haben die USA angekündigt, einen substantiellen Betrag in den Klimafonds zugunsten der Entwicklungsländer einzahlen zu wollen, und betrachtet man die Schritte, die ein Land wie China bereits von einer relativ sturen «wir-werden-nicht-reduzieren-Haltung» zu einer offeneren Position gemacht hat, ist unschwer zu erkennen: da tut sich was.

Vielleicht nicht in Kopenhagen, vielleicht erst in einem halben Jahr, wenn all das, was Kopenhagen an Ideen, Bedenken, Anregungen, Initiativen gebracht hat, verdaut ist; wenn die Ergebnisse dieser Konferenz glasklar auf dem Tisch liegen; wenn alle Delegierten von Kopenhagen nach hause gereist sind mit der Einsicht, dass dringliches Handeln wirklich nötig ist – dann gelingt es auch, die eigene Bevölkerung für ein noch auszuformulierendes Klimaschutzabkommen zu gewinnen.

Aber vielleicht kommt alles ganz anders. Vielleicht tritt heute Barack Obama auf und bringt die Klärung, die guten Ideen und den nötigen Schwung? Ein langer Tag steht bevor, und möglicherweise eine lange Nacht.

Mittwoch, 16. Dezember 2009

Emotionen und neue Ideen

An einer Plenarversammlung letzter Woche brach es dem Delegierten von Tuvalu, Ian Fry, die Stimme, als er sich dafür aussprach, nicht die bisherigen 2 Grad Celsius Erwärmung als Zielgrösse für die Klimazukunft anzupeilen, sondern 1,5 Grad. Nur so, sagte Ian Fry in den mucksmäuschenstillen Saal hinein, könne seine Insel vor der Überflutung gerettet werden.

Die Appelle mehren sich, die Konferenz steht offenbar auf Messers Schneide.

Rund um die Welt denken viele deshalb heute bereits laut über ein alternatives Modell für die Reduktion von CO2 nach, eine einfache, simple Methode, mit der auf breiter Basis das CO2 aus der Atmosphäre entfernt werden kann. Der Ökonom Ross McKitrick von der University of Guelph im US-Bundesstaat Ontario hat deshalb eine Besteuerung von CO2-Emissionen vorgeschlagen, und zwar flächendeckend für alle. Der Steuersatz, und das ist der Kernpunkt des Vorschlags, würde mit steigenden Erdtemperaturen steigen - je höher der Temperaturanstieg, desto höher die Steuer.

Nur - Ross McKitrick, der eher zu den Skeptikern des Klimawandels zählt, gibt nicht an, wann die Stunde Null für seine Berechnungen anzusetzen ist, 1945, oder 1970 oder 1990? Je nach dem wäre, angesichts des bereits messbaren Temperaturanstiegs, die CO2-Steuer schon ziemlich hoch zu veranschlagen. Oder meint McKitrick, dass man nur die gemessene Temperaturdifferenz in Anschlag bringen soll, um die Besteuerung zu berechnen - dann verkennt er, dass Klimapolitik und Klimamassnahmen proaktiv sein müssen, dass es schon zu spät ist für Besteuerungsmassnahmen, wenn die Temperatur markant gestiegen ist.

Aber immerhin sieht es so aus, dass die Idee einer globalen «Carbon Tax» für alle Verursacher an Anhängern gewinnt, sogar im (bedeutenden) Lager der Erwärmungsskeptiker in den USA. Mag also sein, dass der gleichlautende Vorschlag von Bundesrat Moritz Leuenberger irgendwann doch noch eine Chance kriegt, wenn nicht in Kopenhagen, so doch irgendwann einmal in der Zukunft – eine «Carbon Tax» weltweit.

Dienstag, 15. Dezember 2009

Transparenz als Politikum

Wer emittiert eigentlich wie viel C02, und werden die Emissionsziele erreicht? Um diese Frage ist bereits ein Streit entbrannt - und zwar in der Schweiz, nachdem die Schweizer Delegation in Kopenhagen die Entwicklung der schweizerischen CO2-Emissionen publiziert und festgestellt hat, man habe in der Schweiz die Vorgaben des Kyoto-Protokoll erfüllt, man werde bis 2012 die Emissionen um acht Prozent gegenüber 1990 senken können.

Widerspruch gibt es von denjenigen, die genauer hinschauen und feststellen, dass die Zahlen so nicht stimmen, dass die CO2-Emissionen eher in einem Auf und Ab pendeln. Einspruch aber gibt es auch von Seiten des WWF, weil die Schweiz 2,2 Millionen Tonnen CO2 mit Klimaschutzprojekten im Ausland kompensieren will - das widerspreche Buchstaben und Geist von Kyoto, sagte Patrick Hofstetter, Geschäftsführer des WWF Schweiz im Tages-Anzeiger, denn die Schweiz müsse 50 Prozent ihres CO2-Ausstosses im Inland kompensieren

Wenn also die Schweiz bereits Mühe hat, ihre CO2-Buchhaltung in Ordnung zu halten, wie sollen das alle Länder dieser Welt tun, auch Länder wie Madagskar, Bolivien oder Bangladesh, und nach welcher Methode? Nicht ohne Grund ist in Kopenhagen auch ein Streit darüber entfacht, wer denn die tatsächlichen CO2-Reduktionen eines bestimmten Landes kontrollieren darf. Die USA scheinen in diesem Punkt ganz besonders scharf zu sein - State Secretary Hillary Clinton forderte heute in einem Beitrag in der International Herald Tribune, dass «Standards angenommen werden zur Transparenz im ganzen Prozess»; die Chinesen hingegen werten eine solche «Transparenz», will heissen ein «Monitoring» als eine Einmischung in ihre inneren Angelegenheiten.

Keine guten Aussichten für ein verbindliches Abkommen in Kopenhagen am Freitag.

Montag, 14. Dezember 2009

Die Stimme des Volkes

Wir haben in unserer Wissenschaftssendung am Samstag darüber berichtet - noch immer sind die USA das Land, in dem die Leugner des Klimawandels ein leichtes Spiel haben. Die Lobyyisten von Exxon-Mobile, von Think-Tanks wie dem Center for Defense of Free Enterprise haben in den letzten Jahren Milliarden in eine Kampagne gegen die Erkenntnisse des IPCC gesteckt - Neuerdings werben sie mit dem Spruch "STOP THE COPENHAGEN GREEN WORLD ORDER".

Mit Angstmache, der Behauptung, die Rede vom Klimawandel sei eine "kommunistische Verschwörung", sind sie überaus erfolgreich, glaubt man einer Umfrage von "Harris Interactive Poll". Demnach sehen immer weniger US-Bürger im Klimawandel ein Problem - 2001 waren noch 75 Prozent der Amerikaner vom Klimawandel überzeugt, heute sind es nur noch 51; und ganze 29 Prozent halten den Klimawandel für einen Schwindel. Dieser Prozentsatz entpricht ziemlich genau dem Anteil evangelikaler Christen an der amerkanischen Bevölkerung - 25 Prozent. Evangelikale Christen leugnen generell, dass die Erwärmung des Klimas von Menschen gemacht ist, für sie ist alles Gottes Wille.

Kein Wunder, dass Barack Obama, der Ende dieser Woche die entscheidenden Impulse für den Abschluss der Klimakonferenz in Kopenhagen geben wird, nicht unbedingt mit Volkes Stimme sprechen kann.

Samstag, 12. Dezember 2009

Das entscheidende Wochenende

An der Klimakonferenz in Kopenhagen befinde man sich in der entscheidenden Phase, vermelden die Medien. Einige der Delegationen sind «vorsichtig optimistisch», andere geben sich bedeckt - es beginnt der Poker hinter den Kulissen, bevor die Umweltminister der beteiligten Staaten in die Verhandlungen einsteigen.

Derweilen erhöhen die vielen Aktivistinnen und Aktivisten, die VertreterInnen der Zivilgesellschaft in Kopenhagen, den Druck. Das Klimaforum hat eine von allen Teilnehmenden verfasste und mit getragene Deklaration verabschiedet, in der eine «CO2-freie Gesellschaft bis 2040» gefordert wird - die NGOs also setzen die Ziele hoch und erhöhen den Druck auf die Konferenzteilnehmer.

An diesem Wochenende sollen weltweit Aktionen stattfinden , um die Konferenz von Kopenhagen aufzufordern, zu einem «Real Deal», also zu einem effektiven, griffigen Klimaschutzvertrag zu kommen; allein in der Schweiz finden 48 Aktionen statt. Und heute fand in Kopenhagen eine weitere, grosse Demonstration statt - ein bunter Zug, der zum Bella-Kongresszentrum marschierte, ebenfalls mit der Forderung nach einem «Real Deal». Die Organisation «Repower America», die sich seit langem für einen wirksamen Klimaschutz einsetzt, vermeldet, dass Al Gore unterwegs ist nach Kopenhagen.

Donnerstag, 10. Dezember 2009

Vom Hunger und vom Klima

Die Proteststürme der afrikanischen Delegationen gestern in Kopenhagen waren mit Sicherheit auch in den Hauptstädten südlich der Sahara zu hören. Der Protest richtete sich gegen ein internes Papier, in dem nach Meinung der Delegierten aus afrikanischen Ländern – sie sind in der Gruppe der G77 zusammengefasst - zu wenig Ausgleichszahlungen für Klimaschäden und die CO2-Kompensation vorgesehen waren. Es habe sich nur um eines der vielen «informellen Papiere» gehandelt, liess die dänische Konferenzleiterin Connie Hedegaard mitteilen, doch die Afrikaner liessen sich nicht beschwichtigen; es kam im Kongresszentrum sogar zu Tumulten.
Die Vorkommnisse zeigen, dass die Afrikanerinnen und Afrikaner den Zusammenhang zwischen Reichtum, Schädigung der Umwelt und ihrer eigenen Armut zu einem Politikum machen wollen - oder anders gesagt: Sie haben klargemacht, dass es in Kopenhagen nicht nur ums Klima geht, sondern auch um den Gegensatz zwischen den Satten und den Hungrigen; und dass dieser Gegensatz sehr wohl auch klimarelevant ist.

Mittwoch, 9. Dezember 2009

Was die Wirtschaft am Klimagipfel so tut

Natürlich sind sie auch in Kopenhagen, die grossen Konzerne. Sie sind es, die seit Jahren in der Pflicht stehen, einen Beitrag zu leisten zur Reduktion des CO2-Ausstosses, denn immerhin stösst die Industrie 19 Prozent des weltweiten CO2 aus, und nimmt man Elektrizität und Wärme hinzu, sind es 43,9 Prozent.

Darüber, welche Fortschritte die Industrie in Sachen CO2-Reduktion macht, gibt seit einigen Jahren das "Carbon Disclosure Project" Auskunft - ein Rating, das zeigt, ob bestimmte Firmen zukunftsorientiert denken und ihre Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen reduzieren.

In Kopenhagen möchten sich die Wirtschaftsvertreter primär als Partner für eine nachhaltige Zukunft präsentieren. Renault, beispielsweise, ist mit einer Flotte neuester Vorserien-Elektroautos in Kopenhagen, stark präsent ist auch die Elektroindustrie, die Windindustrie, die Solarindustrie; die dänische Industrie präsentiert sich in Kopenhagen gleich in einer eigenen Ausstellung, der "Global Platform, Multiple Solutions".

Was die Lobbyisten der Öl- und der Kohleindustrie in Kopenhagen so treiben, ist naturgemäss unbekannt. Hingegen wurde gestern bekannt, dass die schwarz-gelbe Koalition in Nordrhein-Westfalen den Bau des einst gestoppten Kohlekraftwerks von E.On nun doch wieder erlauben will - E.On, der Stromkonzern, der sich stets klimafreundlich gibt. "E.ON setzt sich mit Nachdruck für die Verabschiedung ambitionierter und verbindlicher politischer Rahmenbedingungen zur wirkungsvollen Bekämpfung des Klimawandels ein und hat bereits im Mai 2009 ein Positionspapier zu Kopenhagen veröffentlicht", heisst es auf der Homepage von E.On.

Die Zivilgesellschaft in Kopenhagen, die am Klimaforum tagt, hörte sich gestern einen Vortrag der Autorin und Journalistin Naomi Klein an, die betonte, es liege an den Industrienationen, "ihren eigenen Dreck aufzuräumen".

Montag, 7. Dezember 2009

Die Zivilgesellschaft macht in Kopenhagen mobil

Die Klimakonferenz von Kopenhagen ist gestartet, mit Delegationen aus rund 200 Ländern. Sie setzen an zu einem Verhandlungsmarathon, der für Aussenstehende nur schwer überschaubar ist – verbindliche Reduktionsziele, Kompensationszahlungen, Anpassung an den Klimawandel sind die Stichworte. Berichte zum Gang der Verhandlungen finden sich hier http://unfccc.int/press/news_room/items/2768.php.

Sichtbar für alle allerdings sind die Aktionen, die Umweltorganisationen und Bürgerrechtler aus der ganzen Welt in und um Kopenhagen herum organisieren; ihre Aktionen laufen unter anderem unter http://tcktcktck.org zusammen. Auch Friends of The Earth haben eine eigene Plattform aufgeschaltet www.foeeurope.org, ebenso der WWF unter http://wwf.ch/de/derwwf/themen/klima/klimapolitik/international/.

Eine ganze Reihe Schweizer Umweltorganisationen und Netzwerke planen und realisieren in und rund um die Klimakonferenz von Kopenhagen eigene Projekte, unter anderem das Netzwerk Öbu mit einer Demonstration des Videoconferencing als Alternative zu Geschäftsreisen http://www.oebu.ch/de/artikel.php?id=527; das meiste läuft allerdings über Facebook und Twitter.
Das zeigt, dass die Zivilgesellschaft in Bewegung ist und Druck machen wird, damit es in Kopenhagen zu einem effektiven Klimaschutzabkommen kommt.